Stolpersteine für Familie Gutmann

Im Zentrum Dessaus, vor dem Haus Kavalierstraße 66, erinnern nun fünf Stolpersteine an die jüdische Familie Gutmann, die Eltern Hermann und Emma und ihre drei Töchter. Alle wurden im Holocaust ermordet.

Hermann Gutmann (geb. 1857) stammte wie auch seine Ehefrau Emma (geb. 1863) aus der Kleinstadt Jastrow in Westpreußen, heute: Jastrowie in Polen. 1903/04 erbauten die Gutmanns in der Dessauer Kavalierstraße ein modernes Kaufhaus für Textilien, das zugleich ihr Wohnhaus war. Das Geschäft übergaben sie 1914 dem Kaufmann Joseph Bornstein. 1939/40 ging das Grundstück Kavalierstraße 11 in „arischen“ Besitz über. Das Ehepaar hatte fünf Kinder: den früh verstorbenen Sohn Ernst (1890-1911) und die Töchter Hertha verheiratete Braunsberg (1886-?), Meta (1887-?), Else verheiratete Jacobowitz (1895-?) und Gertrud verheiratete Jacobowitz (1899-1924).

Hertha und Else zogen nach Berlin. Hertha´s Ehemann Max Braunsberg verstarb 1932. Die Tochter Rosi, verheiratete Girvan, konnte nach 1933 über Frankreich und Spanien nach England emigrieren. Sie starb 1991 in Frankreich. Der Sohn Hugo war nach dem Pogrom im November 1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert und flüchtete anschließend nach Belgien. Im August 1942 wurde er vom französischen Sammellager Drancy aus nach Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde. Im Januar 1943 wurde Hertha Braunsberg nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Ihre Schwester Else wohnte mit ihrem Ehemann, dem Kaufmann Willy (Wilhelm) Jacobowitz, der in Berlin zwei Kurzwarengeschäfte besaß, zunächst in Berlin-Charlottenburg, später in Berlin-Gesundbrunnen. Ihre drei Kinder Ernst (1922-1924), Edith (1924-2021) und Gert (1928-2007) wurden im Geistes des liberalen Judentums erzogen. Die beiden Geschäfte mussten 1933 und nach dem Pogrom vom 9. November 1938 aufgegeben bzw. an einen „Arier“ verkauft werden. Die Bemühungen des Ehepaares zu emigrieren blieben erfolglos. Else Jacobowitz wurde im Februar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Das Todesdatum ist nicht bekannt. Auch ihr Ehemann Willy wurde in Auschwitz ermordet. Die beiden Kinder Edith und Gert waren im Juni 1939 mit einem Kindertransport nach Belfast/Nordirland gelangt, wo sie unter der Obhut der jüdischen Gemeinde aufwuchsen. Gert – er nahm bei der Heirat den Familiennamen seiner Ehefrau an und nannte sich Gerald Jayson – wirkte später als Chemiker und Hochschullehrer in Liverpool. Edith, verheiratete Bown, besuchte 1997 gemeinsam mit ihrem Ehemann Dessau und stand mit der Moses Mendelssohn Gesellschaft Dessau lange im Briefwechsel. Sie starb im Jahr 2021 in London.

Meta Gutmann blieb unverheiratet. Von 1933 bis 1939 lebte sie hauptsächlich in Berlin, wo sie ihrer Schwester Else im Haushalt und bei der Kindererziehung half. Danach pflegte sie in Dessau ihre Eltern. Hermann Gutmann starb nach längerer Krankheit am 4. Mai 1941 in Dessau. Meta Gutmann wurde Mitte April 1942 mit einem Massentransport von Magdeburg aus in das Ghetto von Warschau deportiert. Emma Gutmann blieb allein in Dessau, sie musste nun in einem Zimmer des „Judenhauses“ Askanische Straße 10 wohnen. Im November 1942 wurde sie in ein jüdisches Krankenhaus in Berlin aufgenommen. Dort starb sie wenig später im Alter von 79 Jahren.

Am 15. November um 13 Uhr werden die Stolpersteine mit einem Gedenken an die Opfer an die Stadt Dessau-Roßlau übergeben. Die Werkstatt Gedenkkultur lädt alle Bürgerinnen und Bürger herzlich ein, daran teilzunehmen.

Mahnendes Gedenken bleibt wichtig.